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Bericht über Arkeden im Jahr 1884

Als Sachsenbischof (1868 - 1893) hat Georg Daniel Teutsch (*1817, +1893) in den Jahren 1870 bis 1888 sämtliche Kirchengemeinden der evangelischen Landeskirche (mit Ausnahme von Klein-Alisch, aufgrund von Typhus für auswärtige Besucher gesperrt), besucht und dem Landeskonsistorium darüber Bericht erstattet.
Unter dem Titel: Teutsch, Georg Daniel: Gesamtkirchenvisitation der evangelischen Kirche A.B. in Siebenbürgen : (1870 - 1888) erschienen seine aufschlussreichen Dokumentationen im Jahr 1925 in Hermannstadt. Ein Nachdruck erschien 2001 im Verlag Böhlau.
Daneben berichtete auch die Presse von den Begehungen. So auch über den bischöflichen Besuch in Arkeden am 17. und 18. Juli 1884.

Originalgetreue Abschrift aus dem Siebenbürgisch-Deutschen Tageblatt vom 28. und 29. Juli 1884. Kürzungen werden mit […] angezeigt, Anmerkungen von Brigitte Depner mit [Anm. BD] gekennzeichnet.

Quelle: Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, Hermannstadt, Jahrgang 11, 1884, Montag, 28. Juli

Die Generalkirchenvisitation im Schäßburger Bezirk.
II.
Empfang in Arkeden, der sächsische Pfarrhof. Die Visitation in Arkeden, Mehburg, Radeln. Die drei Kirchenburgen, vorreformatorische Altäre, Parallelen. Arkeden im Sonnenschein.

Es war eine heiße Fahrt von Schäßburg nach Arkeden. Die Sonne brannte in die von fast betäubender Hitze erfüllten Eisenbahnwagen und langsam flogen die Hopfenpflanzungen an den Wagen vorüber. Aber endlich, zur festgesetzten Stunde, taucht rechts Arkeden auf, die erste Gemeinde, welche visitiert werden sollte. In das Geräusch der fahrenden Bahn klingt das Geläute sämtlicher Glocken hinein, draußen vor dem Bahnhof flattert es in den Lüften, die „Bruderschaft“ ist zu Pferde aufgestellt, den ev. Bischof zu empfangen. Wie leuchten die Augen, als dieser, der freundlichen Ansprache des Kurators erwidernd, herzlich dankt und es nun im Flug der Gemeinde zugeht. Am Anfang derselben grüßte der Triumphbogen, zu beiden Seiten der Gasse stehen in geschlossener Reihe die Schulkinder, dann die ganze Gemeinde. Alles ist ausgerückt, Alt und Jung, Männer und Frauen, der lange Weg bis zum Pfarrhof ist mit Bäumen zu beiden Seiten besetzt, aus allen Augen leuchtet die Freude darüber, daß die Kirche durch ihr Oberhaupt auch nach dieser, bisher so entlegenen Gemeinde, sehen wolle. Vor dem Pfarrhof hält der Zug. Tief ergriffen bewillkommnet der Pfarrer in schwungvollen Worten den Gast, der für so warmen Gruß nicht minder warmen Dank ausspricht. Der Eintritt ins Pfarrhaus, in dem sofort die Vorstellung des Presbyteriums stattfand, bot ein geradezu überraschendes Bild eines fast großartigen Pfarrhofes. Mitten im Garten gelegen, ladet das neue Gebäude 1879 gebaut und durch die schöne Inschrift an der breiten Seite desselben als Vaterhaus für die ganze Gemeinde bezeichnet, zum Eintritt ein; was Größe, Schönheit, Zweckmäßigkeit anbelangt, gehört es unstreitig zu den schönsten der Landeskirche. Wie mutet uns doch so ein sächsischer Pfarrhof immer wieder heimisch an! Nicht umsonst rühmt Boner und Wattenbach, der Engländer und der Deutsche sie in gleicher Weise als eine Stätte der Kultur, in der das Interesse für die höchsten Lebensgüter warme Förderer und treue Verteidiger finde. Als eine Stätte der Kultur stellt es sich schon äußerlich dar; der hübsch angelegte und gut gepflegte Garten - er könnte wo immer stehen - , die schönen Rosen, die noch in einzelnen verspäteten Blüten prangen, der geordnete Hof - das alles macht einen unvergleichlichen Eindruck und man fühlt sich sofort heimisch. In der Regel kommt auf dem Pfarrhof dazu die Pflege edler Musik, auch geeignet, den Blick im Kampf des Lebens „zur Höhe“ zu lenken, wie sie unter anderem auch in Arkeden und Mehburg in lieblicher und anziehender Weise entgegentrat. An jenem Tag Donnerstag den 17. Juli, lag keine amtliche Arbeit vor; sie begann Freitag den 18. Ein wunderbar schöner Tag war aufgestiegen. Ein echter Feiertag. Seit die ev. Kirche besteht, daß ein sächsischer Bischof von Amtswegen die Gemeinde besucht - wie lag sie früher doch so abgeschieden von aller Welt - umso mehr ehrte die Gemeinde den Tag. Unter dem Klang der Glocken geleitete das Presbyterium und die Gemeindevertretung den Bischof zur dichtbesetzten Kirche, wo die Visitation mit einer Predigt desselben begann. Dieselbe versucht stets im Anschluß an ein Bibelwort und den Zustand der Gemeinde im Auge unter dem Gesichtspunkt des Evangeliums die Lebenserscheinungen und Bedingungen in der betreffenden Gemeinde zusammenzufassen und in eindrucksvoller Weise den Hörern vor die Seele zu führen. An den Gottesdienst schließt sich die Prüfung der Knechte (Bruderschaft) und Mägde (Schwesternschaft), dann der Schulkinder; ihr folgt die eingehende Behandlung mit Presbyterium und Gemeindevertretung über den religiösen, sittlichen und kulturellen Stand der Gemeinde, was regelmäßig bis 1 - 2 Uhr in Anspruch nimmt.
Nach dem Mittagessen erfolgt die Besichtigung der kirchlichen Gebäude, die Prüfung der Rechnungen und der Kassen, sowie der spezifisch pfarrämtlichen Angelegenheiten. Erst abends um 10 - 11 Uhr ist die Arbeit in der Regel fertig.
Es kann in diesen kurzen Berichten, die seit Jahren über die Generalvisitation gegeben und von den Lesern des Blattes gern gelesen worden sind, nicht die Aufgabe sein, in immer wiederholter Darstellung des Äußeren, den Rahmen zu zeichnen, in dem das ernste Werk sich vollzieht, so sehr dieser mit zum ganzen Bild gehört. Der Empfang, der äußere Vorgang war überall ziemlich derselbe, überall ergreifend und schön, besonders gehoben durch die freudige Teilnahme der gesamten Bevölkerung. […]
Die drei Gemeinden, Arkeden, Mehburg, Radeln gehören zusammen - durch ihre frühere Abgeschiedenheit von der Welt und voneinander. Hat man doch in Mehburg erst 1849, als die Russen aus dem Lande waren, erfahren, daß sie überhaupt hier gewesen seien. Alle drei gehörten zum Schäßburger Kapitel, alle drei sind gegenwärtig aus ihrer Vereinzelung fast plötzlich, die beiden ersten durch die Eisenbahn herausgerissen worden.
So ist es kein Wunder, daß ähnliche Lebens- und Kulturerscheinungen bei allen dreien zutage treten und mehr als ein Strich im Bild der einen Gemeinde wiederkehrt in dem der anderen.
Da ist zunächst äußerlich auffallend das übereinstimmende Bild der drei Kirchenburgen. Wie gewaltig leuchten sie, ein Denkmal einer mehr als gewaltigen Zeit. Was ganze lange Darstellungen auseinandersetzen, ein einziger Blick auf diese Kirchenburgen lehrt es in erschütterndster Weise. Was die Sachsen im Ringen gegen die Not des Lebens in den einzelnen kleinen […]

Fortsetzung Dienstag, 29. Juli

Die Generalkirchenvisitation im Schäßburger Bezirk.
III.
Die Verhältnisse in Arkeden, Mehburg, Radeln. - Auf der Radler „Burg“.

Der Zwang der äußeren Verhältnisse, die lange Abgeschlossenheit und die stete Not, die zur Selbsthülfe zwang, haben ganz ähnliche Erscheinungen auch im sittlichen und gesellschaftlichen Leben der drei Nachbarn zur Folge gehabt. Es ist natürlich nicht jeder Zug in gleicher Weise bei den Sachsen von Mehburg, Arkeden und Radeln ausgebildet, aber sie gleichen sich doch wie Brüder. Lage und Umgebung zwangen ihnen derbere Sitten auf. Ihre Vergangenheit, das vorherrschende Gefühl der Lebensschwere, daneben aber auch eine zähere Arbeitskraft und Sparsamkeit, sowie Einfachheit der Sitten.
Der Zustand der Schulen ist bei allen im ganzen befriedigend, die Gemeinden thun viel für dieselben. Überall steht sie entweder im Mauerring der Kirche oder nahe daran. Der Schulbesuch ist überall gut, unentschuldigte Schulversäumnisse gehören zu den Seltenheiten. Was die Schulzimmer und die Lehrergehalte u.s.f. hier oder dort zu wünschen übrig lassen, das hatte die Gemeinde selbst schon erkannt und sind auf Abhülfe. Die Burschen und Mägde besuchen durchwegs auch noch eine Zeit lang die Fortbildungsschule und können alle lesen und schreiben. Überall tragen die Gemeinden opferwillig Abgaben zugunsten der Schule. Der Gesamtaufwand beträgt für Arkeden 998 fl. 85 kr., in Mehburg 716 fl., in Radeln 1081 fl. 97kr., ein Lehrerbesoldungsfond wurde in Arkeden geschaffen, der Schullohn in Radeln abgelöst; neue Subsellien [d.i. Schulbänke, Anm. BD] sind vorhanden in Arkeden und Radeln, in Mehburg in Aussicht. Ganz wacker turnen sie in Arkeden, zeichnen in Mehburg und haben weibliche Handarbeiten in Radeln. In allen drei Gemeinden stellt die Gemeinde die Vorspann zum Besuch des Lehrervereines und zahlt 1 fl. Taggeld. In Arkeden und Mehburg, hier unter der Leitung des Pfarrers, sind Liedertafeln [Gesangsverein, Chor, Anm. BD], beide ließen sich’s nicht nehmen, dem Bischof ein Ständchen zu bringen. Die Bruderschaften sind überall organisiert, die Schwesterschaften ebenso, nicht überall seit lange; die Vorsteher sind mit der Aufführung derselben zufrieden. Ebenso bestehen überall die Nachbarschaften, deren Geist gegenseitiger Unterstützung oft geradezu rührend zutage tritt. Von den 28 Scheunen, die im vorigen Jahr in Arkeden abgebrannt waren, sind 15 durch die Nachbarschaften wiederhergestellt worden. In jeder Not helfen die Einzelnen dem Genossen freiwillig, die Nachbarschaften auf Gebot; einer Anzahl von Höfen, die ohne Pferde sind - eine Seuche hat sie hingerafft, - hat die Gemeinde heuer den Acker bestellt! Das ist eben jener Geist der Treue, den unsere Vergangenheit so leuchtend charakterisiert hat! Interessant ist, daß die Mägde in „Gespielschaften“ eingeteilt sind, die zusammen eigene Genossenschaften bilden.
Ein besonderes Kennzeichen aller drei Gemeinden ist die Sparsamkeit und Arbeitsamkeit, beide oft in einer das frische Gedeihen des Lebens wenig fördernden Weise geübt. Weder bei Taufe, noch bei Begräbnissen werden die Veranstaltungen übertrieben, nur die Hochzeiten dauern lang und kosten viel, doch kaum unerschwingliches. So kommt es denn, daß der Wohlstand zunimmt, soweit die schwere Zeit es überhaupt zulässt. Manchen freilich treibt sie fort von Hause, auch von hier gehen viele nach Rumänien, nicht um dort für immer zu bleiben, sondern um sich Erwerb zu schaffen und später heimzukehren. […]
Der Eisenbahnbau hat vor einigen Jahren keine guten sittlichen Wirkungen geübt; das Trinken war ärger geworden, doch ist es gelungen, die Auswüchse wieder auszuschneiden, soweit nicht die Sache sich selbst vernichtete. In Mehburg fängt der Obstbau an, besser betrieben zu werden; In Arkeden werden Versuche mit dem Hopfen gemacht. Überall erobert die neue Landschaft mit ihren besseren Gerätschaften an Boden, besonders die eisernen Pflüge, Säe und Dreschmaschinen.
Wo gutes Beispiel und tüchtige Leitung an der Spitze stehen, da findet das Gute, wenn auch nicht sofort, doch sicher Eingang.
Das Bedürfnis nach weiterer Fortbildung ist vorhanden, Winterleseabende, nicht immer gleich stark besucht, finden sich überall. […]
Die Bevölkerungszahl ist bei allen drei Gemeinden stagnierend oder im Rückgang. Die Tatsache ist hier hauptsächlich eine Folge der merkwürdigen Verhältnisse. Es kann ja nicht anders sein, als daß in verhältnismäßig kleinen Gemeinden, die Jahrhunderte hindurch durchaus auf sich allein angewiesen waren, allmählich eine Aufmischung des Blutes notwendig wird. Und diese drei sind eben von der Welt und voneinander total abgeschlossen gewesen. In Radeln ist die Sterblichkeit groß, während z.B. in Mehburg so viele über 60 Jahr alte Männer gefunden werden, wie in nicht vielen anderen Gemeinden; die Ursache der Sterblichkeit mag u.a. in der fast übermenschlichen Arbeit liegen, die sie auf sich nehmen in den Tagen des Mähens, Schneidens u.s.f., und in der Anstrengung, die den Frauen in der Bearbeitung des Hanfes oblag; oblag muss man fast sagen, weil in den letzten Jahren der Hanfbau überall gar argen Rückgang erlitten hat. Dazu kommt, daß in übergroßer Sparsamkeit selten Fleisch gegessen wird, wieder seltener als sonst in den umliegenden Gemeinden.
Das kirchliche Leben ist im ganzen ein befriedigendes, die Sonntagsheiligung u.s.f. eine allgemeine.
So stellte sich ungefähr der Kulturzustand der Gemeinden dar; wo sie konnte, suchte nun die Visitation zum Bessern anzuleiten, wo es schon gefunden war, zum Aushalten aufzumuntern. Überall ist neben dem Schwachen, Absterbenden junges zukunftverheißendes Leben vorhanden, viel guter Wille zu wackerem Vorwärtsstreben.
[…] In Arkeden braucht man nicht vor dem „breiten Hof“ zu stehen, um Fronius mit seinen männlichen Gestalten vor sich zu sehen; […] So hat eben das sächsische Volk in der Vergangenheit nur dadurch etwas geleistet, daß, trotz einer oft kleinlichen Absonderung, jede Gemeinde, jedes Haus einen Teil dieser Volkskraft bildete und dann an die Gesamtheit ihr Bestes abgab.
[…]
Dann lenkt sich der Blick immer wieder auf das Ganze. Die stattlichen Höfe in allen drei Orten, manche darunter gehen bis ins 16. Jahrhundert zurück, erzählen leibhaftig, was Johann Wolff in seinem „Unser Haus und Hof“ so glücklich geschildert hat, wie das ursprüngliche Haus gewesen und die alte Laube sich allmählich in eine Seitenstube verwandelte. An alten Sitten, Bräuchen und Redewendungen ist eine Fülle vorhanden. Die Volkstracht steht in Ehren, nur der Borten ist hie und da in Abnahme. Noch singen in Radeln die Burschen am Abend gegen die Johannisnacht vor jedem Hause Lieder, noch halten sie in Arkeden und Radeln in ergreifender Weise „Versöhnabend“, in Mehburg werden sie ihn wieder einführen. Nach allen Richtungen empfindet man eben, was für ein Schatz doch in dem Volksleben liegt und welche Verantwortung auf jenen laste, die ihn zu beschützen und rein zu bewahren berufen sind. So bietet jeder Tag, wenn auch der Arbeit überviel, neben manch’ Traurigem des Erhebenden nicht wenig.
[…] Auf nicht leichten Wegen führten die flinken Pferde uns hinauf [zum Radler Burgberg, Anm. BD], wo, von allen bestaunt, nahe bei einander aus zwei alten Buchen zwei Quellen entspringen, so daß der Baum dem Wasser als Rohr und Sammelplatz dient. Die alten Kräfte des Waldes meint man da leibhaftig greifen zu können. Mitten im Wald erhebt sich ein Wall mit Graben, nicht mehr überall kennbar, in einer Ausdehnung von 140 Schritten Breite und 550 Schritten Länge, ein riesiges Menschenwerk aus Zeiten, da ein untergegangenes Geschlecht hier Zuflucht suchte vor den Tieren des Waldes und wilden Menschen. Scherbenstücke, Kohlen- und Aschenreste im raschdurchgrabenen Boden bestätigten, daß da Menschen gewesen. Unten im Bach spült das Wasser eine ganze Menge vom schönen Feuerstein herab, der wohl auch im Thal die Niederlassung beweist. Die Umschau von oben, nach der einen Seite bis zum Königstein hinunter und den Fogarascher Gebirgen, nach der anderen ins hochgelegene Hügelland und ins Szeklerland hinein, wie abwechselungsreich am taufrischen Morgen! Wie bedauerten wir, […] daß die Arkeder Freunde, trotz weitausgreifender Schritte, die ihnen eigen sind, den Weg dorthin nicht gefunden hatten.

[…]

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